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Führung und Blinde Flecken

Nach meinen und möglicherweise auch nach Ihren Erfahrungen haben wir alle Blinde Flecken. D.h. wir sehen oft nicht das ganze Bild bzw. einiges nicht, was andere sehen oder interpretieren unser Verhalten, unsere Kommunikation anders, als es beim Gegenüber ankommt.

Was sind Blinde Flecken?

Das was wir an uns selbst nicht wahrnehmen können oder wollen, werden als blinder Fleck bezeichnet. Die beiden amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham haben dazu ein Modell entwickelt: das Johari-Fenster.
Ob es sich dabei um eine Person handelt, ein Team oder eine Organisation überall können sich blinde Flecken einschleichen. Oder anders gesagt, das Selbstbild stimmt nicht mit dem Fremdbild überein.

Auswirkungen von Blinden Flecken

Unsere blinden Flecken können zu unangemessenen Einschätzungen, Verhaltensweisen oder Entscheidungen führen. Wenn beispielsweise jemand in einer konkreten Situation nicht realisiert, dass er oder sie sich wie ein Elefant benimmt, sich jedoch wie ein entspannter und zu Spässen aufgelegter Mensch fühlt, wird er oder sie sich vielleicht wundern, dass das Gegenüber anders reagiert als erwartet.

Blinde Flecken im Führungsalltag – Beispiele

Führungspersonen sehen sich als Teil des Teams

Gerade Führungspersonen, welche vor Übernahme der Führungsrolle Teil eines Teams waren, können sich schwertun, nicht mehr Teil des Teams zu sein. Sie suchen weiterhin die Nähe des Teams und füllen damit ihre neue Rolle nicht aus. Für das Team gibt es Irritationen, weil sie wissen, dass er oder sie nun der neue Chef bzw. die neue Chefin ist. Sie diese Person jedoch nicht in dieser Rolle wahrnehmen können.
Teammitglieder können darauf unterschiedlich reagieren: mit Unverständnis, Kritik an der Führungsperson, sich abwenden vom ehemaligen Kollegen, selbst Führung übernehmen und damit das Vakuum ausfüllen usw.

Führungspersonen verstehen nicht, warum die Mitarbeitenden nicht mitmachen

Führungspersonen sind gefordert, immer einen Schritt voraus zu sein und die Ziele oder das Big Picture im Auge zu behalten. Ist der Fokus nur nach vorne gerichtet, geht leicht vergessen, die Mitarbeitenden mitzunehmen und immer wieder zu prüfen und zu verstehen, wo sie zurzeit stehen und was sie für den nächsten Schritt brauchen. Führungspersonen können so leicht nicht nur einen Schritt voraus sein, sondern mehrere. Der Anschluss wird so von beiden Seiten verpasst. Aussagen von Führungspersonen können in solchen Momenten sein: «ich tue ja alles, aber es kommt nichts zurück…»

Führungsperson weiss schon alles

Eine Führungsperson, welche mit der Einstellung «ich weiss das schon» unterwegs ist, kann andere Menschen abschrecken. Diese Person meint es nicht per se böse oder abwertend. Mitarbeitende oder Kollegen können jedoch schnell den Eindruck gewinnen, dass diese Person, an der Sicht anderer nicht interessiert ist oder sich gar über diese stellt. Groll und Ärger entwickeln sich und irgendwann hören auch die Mitarbeitenden oder die Kollegen nicht mehr genau hin und weitere Missverständnisse sind vorprogrammiert. Die Führungsperson landet dann bei ihren Kollegen oder Mitarbeitenden in der Schublade «arrogant», «überheblich» oder «allwissend». Eine offene Kommunikation wird schwierig und die Missverständnisse und Ärgernisse häufen sich.

Blinde Flecken haben eins gemeinsam: unreflektiert ist man ihnen ausgeliefert!


Was tun?

Blinde Flecken sind für Führungspersonen, Teams wie auch Organisationen Lernchancen. Ist man gewillt, das eigene Verhalten, die eigene Kommunikation selbst zu reflektieren oder sich dem Feedback anderer (Mitarbeitenden – Kollegen – Kunden – usw.) zu stellen, bieten sie ein grosses Potential persönlich und gemeinsam zu wachsen.

Selbstreflexion

Für das Erforschen der eigenen «Blinden Flecken» helfen Reflexionsfragen, wie die folgenden:

  • Welche Werte sind mir wichtig und wie lebe ich diese? Wie lebe ich sie, wenn ich im Stress bin? Und was davon kommt bei den Mitarbeitenden oder anderen Menschen an?
  • Was liegt mir bei meiner beruflichen Tätigkeit nicht oder mit was tue ich mich schwer, muss ich mich übermässig anstrengen, mache ich vielleicht sogar Fehler oder schiebe es hinaus?
  • Was oder wem gehe ich aus dem Weg (Personen, Konflikte, Tätigkeiten, Situationen usw.)?
  • Wie kann man mich provozieren oder zumindest dazu verleiten, dass ich mich aufgewühlt fühlen?
  • Welche Verhaltensweisen anderer sind für mich schwierig oder ich kann gar nicht damit umgehen? Was tue ich in solchen Situationen?
  • Welche persönlichen Schwächen versuche ich geheim zu halten? Und wie verhalte ich mich, wenn ich mich doch gegenüber anderen Personen in diesem Thema zeigen sollte?
  • Was wurde mir dazu von anderen Menschen schon zurückgemeldet?
  • (Beispiel: als Führungsperson nicht gerne vor Leuten sprechen; Verhalten: leise und schnell sprechen oder stottern; Rückmeldung: lauter sprechen, Sätze fertigmachen, zittern beim Reden etc.)

Feedback

Hilfreich für die persönliche Weiterentwicklung kann auch sein, Feedback bei anderen einzuholen. D.h. um mehr über sich selbst zu erfahren und zu lernen, können andere Menschen, das Team oder die Umwelt wertvolle Hilfe leisten.

Beobachten und Fragen

In der Regel spiegelt sich unser Verhalten oder unsere Kommunikation im Gegenüber, im Team oder im Umfeld. Zum einen können wir dies wahrnehmen und zum anderen aktiv erfragen. Dies gibt Informationen und Möglichkeiten, das eigene Verhalten zu überprüfen und bewusst zu entscheiden, was verändert werden soll und wie es verändert werden kann.

Hilfreich ist die Selbstreflexion und das Einholen von Feedback auch, um sich über die eigenen Schwächen, eingeschränkten Blickwinkel, Empfindlichkeiten im Klaren zu sein, darauf weniger emotional zu reagieren und selbstgestärkter unterwegs zu sein.


Nur Persönlichkeiten bewegen die Welt, niemals Prinzipien.

(Oscar Wilde)